Donnerstag, 23. Mai 2013

In Scuol regnet es fast nie

Scuol hat ein ganz eigentümliches Wetter - meistens trocken, oft sonnig. Kein Wetterbericht stimmt - mit Ausnahme des Wander- und Bergwetterdienstes Bergfex (im Internet suchen unter Stichwortsuche bergfex wetter scuol). Das Unterengadin ist ein Trockental, da es wie das Wallis zwischen zwei hohen Bergketten liegt. Einige Dörfer weiter innabwärts ist gar der trockenste Ort der Schweiz. Meine Freundin, die schon lange in Scuol lebt, beschreibt das Wetter so: "Wir liegen immer auf der sonnigen Seite: wenn es in der Deutschschweiz regnet, haben wir Südwetter. Wenn es auf der Alpensüdseite regnet, dann haben wir das Wetter vom Norden." Und wenn es auf beiden Seiten der Alpen regnet - so wie in diesem Frühling? Dann regnet es an den Bergketten im Norden und im Süden ab - und im Tal fällt kaum ein Tropfen. Wer trotzdem das Wasser sucht, wird nicht enttäuscht: Kanufahren auf dem Inn bei Lavin - ein spritzigesVergnügen!



Donnerstag, 9. Mai 2013

Tipp: Frühlings-Wanderung nach Lavin (und zurück)

Eine herrliche Wanderung führt von Scuol über die Dörfer am Sonnenhang (Ftan, Ardez, Bos-Cha, Guarda) nach Lavin. Lavin ist das erste Dorf, wenn man vom Vereina-Tunnel aus ins Unterengadin fährt.


Ich hatte also beschlossen, den schönen Tag zum Wandern zu nutzen und meinen Rucksack gepackt. Picknick unterwegs ist doch das Schönste - und in der Nebensaison auch notwendig. Ein offenes Restaurant zu finden kann Glückssache sein. Den steilen Anstieg von der Chasa Diala hinauf nach Ftan habe ich mir geschenkt, schliesslich fährt dorthin ein Postauto. Durch ein wunderbares Waldstück ging es dann Richtung Ardez, vorbei am "Insti" (Institut, ein renommiertes, privates Gymnasium) in Ftan. Plötzlich blieb ich ganz still stehen; nur 50 m vor mir graste ein Reh. Für ein Foto hat es leider dann doch nicht gelangt - das Reh hat mich zu schnell bemerkt. Vorbei an den ersten Frühlingsblumen (Leberblümchen - im Bild - und Krokuswiesen) geht man in ca. 1 h 15 min. nach Ardez. Oberhalb von Ardez auf einer Sonnenbank gab es Picknick, mit Blick übers ganze Tal bis zum Flüela. Ins Dorf abgestiegen bin ich nicht - irgendwie hatte ich keine Lust auf Höhenmeter. Dafür bin ich direkt weitergelaufen nach Bos-Cha, einem Weiler hoch am Hang.



Dort habe ich dieses herrliche Engadinerhaus entdeckt. Wenige hundert Meter weiter in Richtung Guarda läuft man an einem alten Mühlrad vorbei - heute ist es ein Rastplatz inmitten saftiger Wiesen.



Von Ardez nach Bos-Cha sind es ca. 45 min, danach nochmal ca. 30 min. nach Guarda. Ich habe allerdings länger gebraucht, denn die Wolken sind aufgerissen, und ich fand eine trockene, von der Sonne aufgewärmte Holzbank, auf der ich ein Mittagsschläfchen hielt. Wenn man von Bos-Cha nach Guarda läuft, findet man am oberen Ortseingang ein neueres Sgraffitto mit dem Symbol des Unterengadins, der Wasserkönigin (oder -hexe), der Flussgöttin Ena (so heisst ja auch eine der Wohnungen in der Chasa Diala). Wahrlich ein Fruchtbarkeitssymbol ...



Guarda ist eines der schönsten, alten Dörfer im Unterengadin - und im Sommer ein Touristenmagnet. Derzeit ist es fast verlassen - und idyllisch! Ursprünglich wollte ich ins Tal absteigen und unterhalb von Guarda (in Giarsum) in den Zug steigen, aber meine Beine liefen einfach weiter - Richtung Lavin (1 h ). Lavin liegt auf Inn-Höhe und hat natürlich auch einen Bahnhof. Dort angekommen besichtigte ich die Kirche, die berühmt ist für ihre Fresken aus dem Jahr 1480.


Nein, Ihr irrt Euch nicht - das Gesicht des Herrgotts ist keine optische Täuschung: Gottvater in der Apsis hat tatsächlich vier Augen, drei Nasen und drei Münder - das habe ich sonst noch nirgends gesehen. Tja, eigentlich wollte ich ja auf den Zug. Aber beim Hinunterwandern nach Lavin hatte ich den schönen Wanderweg durch die Inn-Auen gesehen, und wusste, dass der Rückweg nach Giarsun ja nur eine Stunde dauert ... Also los. Aber in Giarsun reizte es mich, doch noch weiter zu gehen und das Dörfchen Sur-En zu besuchen, einen Weiler auf der Südseite des Inns, der zwischen November und März fast immer im Schatten liegt. Dort kommt fast niemand hin, und solche Orte mag ich. Also weiter - noch ca. 1.5 h nach Ardez. Ich war kaum 500 m gelaufen, als ich zu einem Tunnel kam ( mit Tafel: weitergehen auf eigene Gefahr - Achtung Steinschlag!), der im Inneren einen Boden aus blankem Eis hatte. Herrlich - wie schlittschuhlaufen - Anfang Mai! Nach weiteren 200 m kam dann aber ein ernsteres Hindernis:



Ein Lawinenkegel blockierte den Weg. Also doch umkehren und mit dem Zug zurück? Plötzlich hörte ich Stimmen. Und mir entgegen über die Lawine kletterte ein Basler Päärli. "Nein, nicht schlimm, nur ca. 100 m, danach ist der Weg frei." Also gut. Etwas mulmig war mir zwar schon - die Lawine reichte hinunter bis zum Inn, ca. 200 m tiefer - das wäre eine Rutschpartie geworden, hätte ich den Halt verloren! Aber danach ging's durch schöne Wälder vorbei an Krokuswiesen nach Sur-En - menschenleer.




Dann vorbei an den wildesten Teilen der Inn-Schlucht. Hier sieht man, wie die Erosion den weiten Talboden zerfrisst und eine steile Schlucht geschaffen hat. Dann ging's ganz hinunter zur Inn-Brücke, und recht lange wieder bergauf zum Bahnhof Ardez.


Ganz zum Schluss meiner Wanderung kam ich noch an der ehemaligen Kalk- und Tonwarenfabrik Steinsberg in Ardez vorbei, die nach dem Ende des Kur-Tourismusbooms in den 20-er Jahren Konkurs ging. Wer den Blog-Eintrag "historisches Kalkbrennen" gelesen hat, kann vermutlich nachvollziehen, wie hier die Baumaterialien für die Kur-Bauten unterhalb von Vulpera am Inn entstanden sind. Damals gab es die Bahnlinie noch nicht, also musste alles Baumaterial einheimisch geschaffen werden. Heute ist die ehem. Fabrik irgendwas zwischen Gedenkstätte, Museum und im Sommer anscheinend Mini-Restaurant.





In Ardez angekommen überlegte ich noch, ob ich zurück nach Ftan und dann weiter nach Scuol laufe, aber gemäss Wandertafeln wären das nochmal drei Stunden gewesen (die geben zwar immer etwas zu viel an - vermutlich, damit man ein Erfolgserlebnis hat, wenn man es schneller schafft), aber es wäre doch schon fast dunkel geworden. Also bin ich gemütlich mit der Rhätischen Bahn die letzten Kilometer gefahren. Total ist die Wanderung ca. 22 km lang (von Ftan nach Lavin und zurück nach Ardez; Höhenmeter nicht gerechnet). Man kann aber bis Lavin jede Stunde unterbrechen und mit Postauto oder Bahn zurückfahren. Auf der anderen Inn-Seite allerdings gibt es keine Verkehrsverbindung - und auch fast keine Menschen. Ausser dem Basler Paar habe ich bis Ardez niemanden getroffen.

Fazit: eine herrliche Frühlingswanderung auf guten, breiten Wegen mit grösseren und kleinen Sehenswürdigkeiten, sachte Steigungen (bis auf den letzten Hang hinauf nach Ardez) Sehr zu empfehlen - wunderschön!